Urlaub: Jetzt haben schwerbehinderte Menschen nach Langzeiterkrankungen länger Anspruch auf ihren (Rest-)Urlaub
Weihnachten ist gerade vorbei und trotzdem steht bei einigen bereits der nächste Urlaub an. Und wer krank war und noch Anspruch auf Resturlaub hat, der kann aufatmen, denn es bleibt dabei: Wer lange Zeit erkrankt, behält seinen Urlaubsanspruch noch 15 Monate nach Ende des Übertragungszeitraums aus dem entsprechenden Jahr. Das heißt: Resturlaub aus 2021 geht für Langzeiterkrankte nicht am 31.3.2022, sondern erst am 31.3. 2023 verloren. Ob der Arbeitgeber die Betroffenen nicht vor ihrer Rückkehr auf den drohenden Urlaubsverfall hinweisen muss, hatte das Bundesarbeitsgericht nun entschieden.
Das Bundesarbeitsgericht verneinte diese Pflicht im jetzt veröffentlichten Urteil vom 7.9.2021 noch einmal, solange die Betroffenen noch erkrankt sind (Az. 9 AZR 3/21). Das Arbeitsgericht Köln hat am 30.9.2021 dann auch prompt dem folgend entschieden (Az. 8 Ca 2545/21). Doch da wäre noch etwas:
Sobald Betroffene nämlich in das Unternehmen zurückkehren, lebt die „Obliegenheitspflicht“ des Arbeitgebers wieder auf. Er ist weiterhin verpflichtet, die Rückkehrerinnen und Rückkehrer über deren noch bestehende Resturlaubs- und Urlaubsansprüche zu informieren. Er muss darauf hinweisen, dass dieser Urlaub zu nehmen ist – und dass er verfällt, falls der oder die Beschäftigte den Urlaub nicht nimmt.
Wann der Urlaub nicht am Jahresende verfällt
Nicht genommener Urlaub verfällt nur dann am Jahresende bzw. am Ende des (verlängerten) Übertragungszeitraums, wenn Ihr Arbeitgeber die oder dem Betroffenen vorher rechtzeitig und konkret aufgefordert hat, Urlaub zu nehmen, und sie oder ihn dabei auch auf den drohenden Urlaubsverfall hingewiesen hat (BAG, 19.2.2019, 9 AZR 278/16).
Konnte ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin aufgrund einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit keinen Urlaub nehmen, kommt es unter anderem auch darauf an, ob die oder der Betroffene den Urlaub hätte nehmen können, oder nicht. Für diesen Fall hat das BAG beim Europäischen Gerichtshof angefragt, ob der Urlaubsanspruch trotz fehlender Information nach 15 Monaten verfällt (BAG, 7.7.2020, 9 AZR 401/19 (A)). Die Antwort steht noch aus.
Das gilt für Zusatzurlaub von schwerbehinderten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
In diesem Zusammenhang ist ein Urteil vom 14.01.2021 des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz von großer Bedeutung (Az. 5 Sa 267/19):
Im entschiedenen Fall hatte ein schwerbehinderter Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber nicht über die bestehende Schwerbehinderung informiert. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte der Schwerbehinderte Abgeltung u. a. des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen, weil der Arbeitgeber (der die Schwerbehinderung nicht kannte) den Arbeitnehmer nicht auf die Notwendigkeit der Inanspruchnahme eines solchen Urlaubs hingewiesen hatte, um einen Verfall zu vermeiden.
Voraussetzung: Der Arbeitgeber muss informieren können
Das BAG hat bereits 2019 entschieden, dass der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen aus § 208 Abs. 1 S. 1 SGB IX nur dann verfällt, wenn der Arbeitgeber die oder den Betroffenen zuvor auf diesen Urlaub und den möglichen Verfall bei fehlender rechtzeitiger Inanspruchnahme hinweist. Hier gelten also dieselben Obliegenheitspflichten für den Arbeitgeber wie für den gesetzlichen Mindesturlaub. Aber:
Weiß der Arbeitgeber nichts von der Schwerbehinderung oder von einer Gleichstellung, kann ihm auch nicht unterstellt werden, dass er seine Obliegenheitspflicht verletzt hat. In diesem Fall also ist der Zusatzurlaub trotz fehlender Information verloren. In der Revision hat das BAG dieses Urteil zwar aufgehoben (Urteil vom 30.11.2021, Az. 9 AZR 143/21). Nun geht es aber darum zu klären, ob der Arbeitgeber wirklich nichts von der Schwerbehinderung wusste – oder eben nicht.
Wird Zusatzurlaub bei rückwirkend festgestellter Schwerbehinderteneigenschaft übertragen?
Achtung: Etwas anders liegt der Fall, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft rückwirkend festgestellt wird. Dann entsteht auch ein rückwirkender Anspruch auf Zusatzurlaub (§ 208 Abs. 3 SGB IX).
Auch das ist wichtig:
Endet das Arbeitsverhältnis durch den Tod der schwerbehinderten Arbeitnehmerin oder des schwerbehinderten Arbeitnehmers, haben deren oder dessen Erben Anspruch auf Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs.
Wichtig
Der Anspruch umfasst nicht nur den gesetzlichen Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz und in der Regel den tariflichen Urlaub, sondern auch den Zusatzurlaub für Ihre schwerbehinderten Kollegen (BAG, Urteil vom 22.1.2019, Az. 9 AZR 45/16). Gleiches gilt für besonderen Urlaubsanspruch nach einem eventuell für Ihren Arbeitgeber geltenden Tarifvertrag. Im damals entschiedenen Fall ging es um den TVöD, dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Der Abgeltungsanspruch umfasste dabei auch:
- den Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach dem SGB IX sowie
- den Anspruch auf Urlaub nach § 26 TVöD, der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt.
Denn laut Begründung der Richter lässt sich dem TVöD nicht entnehmen, dass dem Erben das Verfallrisiko zugewiesen ist. Das mag bei anderen Tarifverträgen unter Umständen der Fall sein. Hier heißt es also, zunächst den Tarifvertrag prüfen.
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