Auch behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten arbeiten, dürfen an den Wahlen zur Schwerbehindertenvertretung teilnehmen. Was eigentlich selbstverständlich erscheint, sah der Wahlvorstand eines Sozialunternehmens in Hessen anders und ließ die Rehabilitanden nicht zur Wahl zu.
Wahlvorstand nahm nicht alle Beschäftigen auf die Wahlliste
Mehrere Mitarbeiter des Sozialunternehmens, das neben ambulanten und teilstationären Diensten auch Wohnstätten betreibt und Beschäftigung zur Rehabilitation und beruflichen Teilhabe anbietet, haben die Wahl zur Schwerbehindertenvertretung aus dem Jahr 2022 angefochten. Ihr Begründung: Die 200 bis 300 Rehabilitanden aus den Werkstätten wurden vom Wahlvorstand zu Unrecht nicht auf die Wählerliste gesetzt, was den Wahlausgang möglicherweise beeinflusst hat.
Werkstattrat sollte ausreichen
Das sah der Arbeitgeber anders und ging gegen die Anfechtung beim Hessischen Landgericht vor. Er unterlag dort. Die vom Arbeitgeber vorgebrachte Begründung, die Rehabilitanden seien bereits durch einen sog. Werkstattrat (§ 222 SGB IX) ausreichend vertreten und eine doppelte Interessenvertretung sei nicht vorgesehen, wollte das LAG nicht folgen.
Der Wahlvorstand handelte falsch
Das Gericht folgte der Begründung der Vorinstanz, dass laut § 177 Abs. 2 SGB IX sämtliche im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten Menschen bei der Wahl zur Schwerbehindertenvertretung wahlberechtigt sind, da sich § 177 Abs. 2 SGB IX nicht auf den Arbeitnehmerbegriff, sondern vielmehr auf den Begriff des ‚Beschäftigte‘ stützt. Damit ist nicht zwingend ein Arbeitsverhältnis gemeint, sodass der Kreis der Wahlberechtigten sehr weit gefasst werden kann. Demnach gehören auch behinderte Menschen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten i.S.d. § 221 Abs. 1 SGB IX dazu und müssen auf die Wahlliste aufgenommen werden.
Außerdem ersetzt der Werkstattrat eine Interessenwahrnehmung der schwerbehinderten Rehabilitanden durch die Schwerbehindertenvertretung nicht. Vielmehr ist der Werkstattrat der Ersatz für den Betriebsrat, bei dessen Wahl die Rehabilitanden außen vor sind. Die Wahrnehmung der sich aus ihrer Schwerbehinderung ergebenden Rechte kann aber nur die Schwerbehindertenvertretung gewährleisten. (Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 03.11.2023 Az.: 16 TaBV 72/23).
Der Werkstattrat, das Mitbestimmungsorgan der Werkstatt-Beschäftigten | |
Rechtsgrundlage | Die Beschäftigten von anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) werden gemäß § 222 SGB IX durch einen Werkstattrat vertreten. |
Aufgabe | Vergleichbar mit dem Betriebsrat vertritt der Werkstattrat die Interessen der Beschäftigten gegenüber der Werkstattleitung und unterstützen bei Fragen am Arbeitsplatz und prüft, ob die Gesetze und Regeln, die für die Beschäftigten gelten, eingehalten werden. In vielen Bereichen hat er Mitspracherechte. |
Wahl | Der Werkstattrat wird direkt durch die Beschäftigten im Arbeitsbereich gewählt. Wählbar sind alle Beschäftigten des Arbeitsbereiches der Werkstatt, die länger als sechs Monate in der Werkstatt beschäftigt sind. Er wird alle 4 Jahre neu gewählt. Die nächste Wahl findet 2025 statt |
Aufbau | Der Werkstattrat besteht aus mindestens 3 Mitgliedern. Unterstützt wird er bei der täglichen Arbeit von einer Vertrauensperson aus dem Fachpersonal, die er selbst ausgewählt hat. |