Der Landkreis Vechta hat einem abgelehnten, schwerbehinderten Bewerber mehr als 10.000 Euro Schadensersatz wegen Diskriminierung zahlen müssen. In diesem Fall völlig zurecht.
Die Kommune hatte für den Fachbereich Umwelttechnik eine Stelle für einen staatlich geprüften Techniker ausgeschrieben. Der schwerbehinderte Bewerber, ausgestattet mit 20 Jahren Berufserfahrung, bekam die Stelle nicht. Obwohl er im Auswahlverfahren bis in die Endrunde vorgerückt war. Die Stelle erhielt ein Kollege mit deutlich weniger Berufserfahrung. Da es dem Arbeitgeber nicht gelang, den Vorwurf der Diskriminierung zu widerlegen, muss er nun zahlen
Der Fall zeigt einmal mehr, wie schnell schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber diskriminiert werden. Der Arbeitgeber hatte noch versucht, sich mit vermeintlicher „besserer Fachkompetenz“ des ausgewählten Bewerbers herauszureden. Doch dieses Argument verfing vor Gericht nicht.
Bringen Sie sich ein
Sicherlich: Ein solches Verhalten lässt sich nicht immer vermeiden. Aber: Als Schwerbehindertenvertretung können Sie durch klare Spielregeln und um Ihre Mitbestimmung bei Neueinstellungen zumindest Hürden aufbauen. Folgende Vereinbarungen sollten Sie deshalb, falls noch nicht geschehen, umgehend mit dem Arbeitgeber bzw. der Dienststelle treffen:
- Die Personalabteilung informiert die Schwerbehindertenvertretung über geplante Neueinstellungen rechtzeitig und umfassend.
- Die Schwerbehindertenvertretung erhält alle relevanten Informationen über die zu besetzende Stelle, Anforderungsprofile und Bewerbungsunterlagen.
- Sie werden frühzeitig in den Auswahlprozess eingebunden, um genügend Zeit für eine umfassende Prüfung der Bewerberunterlagen zu haben.
- Die Personalabteilung und die Schwerbehindertenvertretung besprechen gemeinsam mögliche Maßnahmen zur Förderung von Bewerbern mit Schwerbehinderung.
- Maßnahmen zur Barrierefreiheit bei Bewerbungsverfahren und Vorstellungsgesprächen werden festgelegt.
- Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, an allen Vorstellungsgesprächen, auch denen der nicht schwerbehinderten Bewerber, teilzunehmen, sobald sich Bewerberinnen oder Bewerber mit einer Schwerbehinderung oder Gleichstellung bewirbt
- Die Schwerbehindertenvertretung kann Fragen stellen und Informationen über die Integration und Unterstützung von Menschen mit Behinderung im Unternehmen einholen.
Binden Sie sich auch in den eigentlichen Prozess der Auswahlentscheidung mit ein. Hierfür dürfen dann die folgenden Vereinbarungen nicht fehlen:
- Die Schwerbehindertenvertretung überprüft die Auswahlentscheidungen im Hinblick auf die Berücksichtigung von Bewerbern mit Schwerbehinderung und Gleichstellung.
- Falls keine Bewerber mit Schwerbehinderung berücksichtigt wurden, wird die Begründung dafür geprüft und diskutiert.
Klären Sie auch Ihre ganz besondere Rolle – etwa die folgenden, in einer schriftlichen Vereinbarung festgehaltenen Punkte:
- Die Schwerbehindertenvertretung unterstützt geeignete Bewerber mit Schwerbehinderung, um deren Einstellung zu fördern.
- Es werden mögliche Anpassungen und Unterstützungen für den Arbeitsplatz besprochen, um eine erfolgreiche Integration sicherzustellen.
Um Ihrem Arbeitgeber das „Ja“ zu dieser Vereinbarung leichter zu machen: Betonen Sie Datenschutz, Vertraulichkeit und Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen. Etwa durch folgende Vereinbarungen:
- Die Schwerbehindertenvertretung behandelt alle Informationen und Daten der Bewerberinnen und Bewerber vertraulich und gemäß den Datenschutzbestimmungen.
- Die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung erfolgt gemäß den gesetzlichen Vorgaben, insbesondere gemäß dem Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) und dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bzw. dem Personalvertretungsrecht.
Last not least: Dokumentation und Evaluation
Hierbei haben sich folgende Vereinbarungen bewährt:
- Alle Interaktionen und Besprechungen zwischen der Personalabteilung und der Schwerbehindertenvertretung werden dokumentiert.
- Die Schwerbehindertenvertretung gibt Feedback zum Auswahlverfahren und zur Zusammenarbeit mit der Personalabteilung, um den Prozess kontinuierlich zu verbessern.
Ihre Rechte bei einer Neueinstellung
Ihre Rechte bei einer Neueinstellung sind umfassend genug, um entsprechende Vereinbarungen zu treffen. Nur zur Erinnerung:
Sie haben als Schwerbehindertenvertretung hat nach § 178 Abs. 2 SGB IX nicht nur
- das Recht auf Einsicht in die Vermittlungsvorschläge des Arbeitsamtes nach § 164 Abs. l SGB IX und sämtliche Bewerbungen schwerbehinderter Menschen, sondern auch das Recht auf
- rechtzeitige Information über die beabsichtigte Einstellung sowie
- auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen,
- letztendlich auf Anhörung bei beabsichtigter Einstellung und
- Teilnahme an allen Vorstellungsgesprächen sofern für die Stelle eine Bewerbung eines Schwerbehinderten vorliegt.
Ihr Arbeitgeber handelt nach § 238 SGB IX ordnungswidrig, sofern er vorsätzlich oder fahrlässig bei der Ausschreibung neuer Stellen
- nicht frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit gemäß § 164 Abs. 1 SGB IX aufnimmt,
- Sie als Schwerbehindertenvertretung und den Betriebsrat bzw. Personalrat nicht über die Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit und vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen unmittelbar nach Eingang unterrichtet.
Kommt Ihr Arbeitgeber seiner Verpflichtung nicht nach, Sie bei Bewerbungsgesprächen zu beteiligen und Sie vor einer Entscheidung anzuhören, ist die Entscheidung Ihres Arbeitgebers gemäß § 178 Abs. 1 SGB IX für eine Woche auszusetzen. Ihr Arbeitgeber muss Ihre Beteiligung dann innerhalb von sieben Tagen nachholen. Danach kann eine endgültige Entscheidung getroffen werden.
Ihr „Einspruch“ hat damit zwar zunächst nur aufschiebende Wirkung – doch Arbeitgeber oder Dienststellenleitung sollten eines tunlichst nicht vergessen:
Wiederholen sich solche Vorfälle und Ihr Arbeitgeber verstößt immer wieder gegen Ihre Beteiligungsrechte, haben Sie immer die Möglichkeit arbeitsgerichtlich dagegen vorzugehen. Hier können Sie auch per einstweiliger Verfügung Maßnahmen stoppen und ausbremsen. Und dieser Stachel sitzt dann tief!