Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem aktuellen Urteil klargestellt, dass schwerbehinderte Bewerber ihre Behinderung in den Bewerbungsunterlagen offenlegen müssen, um Ansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG geltend zu machen, falls sie nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Dies gilt auch, wenn das Bewerbungsverfahren von einer dezentralen Einheit des Arbeitgebers durchgeführt wird und die zentrale Personalabteilung zwar Kenntnis von der Schwerbehinderung hat, diese Information jedoch nicht automatisch an die dezentralen Einheiten weitergegeben wird (BAG, Urt. vom 25.4.2024 – 8 AZR 143/23).
War die Ablehnung auf eine interne Bewerbung diskriminierend?
Die Klägerin, eine gleichgestellte schwerbehinderte Person mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 40, war befristet an der medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg angestellt. Während ihres Arbeitsverhältnisses bewarb sie sich auf verschiedene Sekretariatsstellen innerhalb der Universität. Diese Bewerbungsverfahren wurden dezentral von einzelnen Instituten durchgeführt. Diese hatten von der Gleichstellung der Klägerin keine Kenntnis, sie hatte diese in ihrem Bewerbungsschreiben auch nicht mitgeteilt. Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe auf ihre Gleichstellung nicht hinweisen müssen, weil diese bei der Universität bekannt gewesen sei. Es sei ausreichend, dass die Personalabteilung als personalführende Stelle Kenntnis gehabt habe.
Die automatische Kenntnis ist auch intern nicht immer anzunehmen
Dem folgte das BAG aber nicht. In der Begründung geht es davon aus, dass in diesem Fall nicht von einer automatischen Kenntnis der Gleichstellung ausgegangen werden konnte und es deshalb an der Benachteiligung mangelte. Im Gegenteil hätte die Klägerin die Gleichstellung auch in der Bewerbung angeben müssen.
Aus den Stellenausschreibungen war für die Bewerberin erkennbar, dass die Bewerbung dezentral an spezifische Institute zu richten war. Es gab keine Hinweise darauf, dass die Personalakten der Universität zentral eingesehen würden oder eine Einwilligung zur Einsichtnahme erforderlich sei. Diese organisatorische Trennung von der zentralen Personalabteilung machte es deshalb notwendig, dass alle relevanten Informationen, einschließlich der Schwerbehinderung, direkt in den Bewerbungsunterlagen angegeben werden.
Zudem verlangte die Stellenausschreibungen explizit die Einreichung der Bewerbungsunterlagen „mit den üblichen Unterlagen“, was auch die Offenlegung einer Schwerbehinderung umfassen kann, wenn dies für den Bewerber von Bedeutung ist.
Parallelen zu Bewerbungsverfahren in der freien Wirtschaft
In der freien Wirtschaft sind Bewerbungsverfahren häufig ebenfalls dezentral organisiert, insbesondere in großen Unternehmen mit verschiedenen Abteilungen und Standorten. Aber auch die externe Vergabe an Personalvermittlungen ist üblich. Auch hier kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Informationen aus der Personalverwaltung überall zur Verfügung stehen, zumal auch der Datenschutz zu beachten ist. Es ist deshalb für schwerbehinderte Bewerber essenziell, ihre Behinderung oder Gleichstellung in den Bewerbungsunterlagen zu erwähnen, damit die jeweiligen Personalverantwortlichen entsprechend handeln können. Das BAG-Urteil unterstreicht die Bedeutung der Offenlegung zur Wahrung der Rechte schwerbehinderter Menschen im Bewerbungsprozess, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber im öffentlichen oder privaten Sektor tätig ist.
(Stand: 7/2024)