Wir haben uns alle schon über rücksichtslose Autofahrer aufgeregt, die zumeist aus Bequemlichkeit ihr Fahrzeug auf einem Behindertenparkplatz abstellen. Die Ausreden sind auch immer die gleichen: „Ich bin gleich wieder weg“ und „Da steht doch keiner“ sind die häufigsten. Diese Mitmenschen denken nicht daran, dass dieser Parkplatz für Betroffene zumeist die wirklich einzige Möglichkeit des Parkens darstellt. Und wenn es vor Ihrer Dienststelle oder Betrieb einen solchen zumeist hart erkämpften Parkplatz gibt, ist die unberechtigte Nutzung umso ärgerlicher. Weniger bekannt ist aber, dass es viele andere Parkerleichterungen gibt, die es Ihren schwerbehinderten Kolleginnen und Kollegen ermöglicht, in der Nähe der Arbeitsstätte, aber auch bei Dienstfahrten nicht auf Behindertenparkplätze angewiesen zu sein.
Ohne Parkausweis geht gar nichts
Natürlich bringt der Schwerbehindertenausweis nicht automatisch besondere Parkrechte mit sich. Dafür bedarf es logischerweise eines behördlich ausgestellten Parkausweises. Dieser muss bei der örtlich zuständigen Straßenverkehrsbehörde beantragt werden und stellt eine Ausnahmegenehmigung für den Antragsteller dar. Diese Ausnahme gilt auch nicht unbefristet, sondern wird nur für höchstens fünf Jahren erteilt und kann auch stets bei Wegfall der Grundlage für die Ausnahmen widerrufen werden.
Tipp: Die Bearbeitung ist zumeist gebührenfrei.
Erleichterungen auch bei der Arbeit
Ein Parkausweis für Menschen mit Behinderung ist immer mit der schwerbehinderten Person und nicht mit einem bestimmten Fahrzeug verbunden. Das bedeutet auch, dass der Parkausweis bei dienstlich oder betrieblich veranlassten Fahrten genutzt werden kann. Warum auch nicht – nur weil der Parkgrund in der Arbeit zu finden ist, bleibt die Behinderung doch weiter bestehen.
Trotzdem sollten Sie als Schwerbehindertenvertretung hierauf ein Auge haben. Denn zum einen gehen – auch fälschlicherweise ausgestellte – Parkvergehen bei Dienstwagen an Ihren Arbeitgeber oder die Dienststelle. Zum anderen ist das „Ausleihen“ eines solchen Parkausweises unter Kollegen natürlich auch nicht erlaubt.
Tipp: Wenn ein behinderter Kollege im Job seinen Parkausweis nutzt, sollte das im Vorfeld mit den Vorgesetzten abgesprochen sein, damit es im Nachhinein keinen Stress gibt. Verbieten kann man die Nutzung der Parkerleichterungen hingegen nicht.
Wer wirklich auf dem Behindertenparkplatz parken darf
Achtung: Nicht jede Ausnahmeberechtigung erlaubt das Parken auf einem ausgeschilderten Behindertenparkplatz. Denn die entsprechende Genehmigung gibt es nur für Menschen mit Behinderung, die folgende Merkzeichen in ihrem Schwerbehindertenausweis haben:
- Merkzeichen „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung)
Eine außergewöhnliche Gehbehinderung liegt vor, wenn sich ein Mensch auf Dauer nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb des Kraftfahrzeugs bewegen kann.
- Merkzeichen „Bl“ (blind)
Als blind gilt, wer auf dem besseren Auge nicht mehr als 2 Prozent Sehschärfe hat.
Darüber hinaus gibt es eine Ausnahmegenehmigung für
- Personen mit beidseitig fehlenden oder fehlgebildeten Gliedmaßen oder vergleichbaren Funktionseinschränkungen
- Menschen, die eine Beeinträchtigung wegen fehlenden (Amelie) bzw. fehlgebildeten Gliedmaßen (Phokomelie) haben
Jetzt wird es spannend: Weitere Parkerleichterungen für Schwerbehinderte
Schwerbehinderte Menschen, die keine Genehmigung für das Parken auf dem speziellen Parkplatz erhalten, können besondere Parkerleichterungen erhalten und einen orangefarbenen Ausweis beantragen. Damit wird der Kreis der Berechtigten für sonstige Parkerleichterungen bundeseinheitlich um weitere schwerbehinderte Menschen erweitert, die damit von bestimmten Halt- und Parkverboten befreit werden.
Voraussetzung ist dafür das Vorliegen folgender Merkzeichen oder anerkannte Behinderungen:
- Schwerbehinderte Menschen mit den Merkzeichen „G“ (gehbehindert) und „B“ (Begleitung erforderlich) und einem Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 80 allein für Funktionsstörungen an den unteren Gliedmaßen und der Lendenwirbelsäule, soweit sich diese auf das Gehvermögen auswirken.
- Schwerbehinderte Menschen mit den Merkzeichen „G“ (gehbehindert) und „B“ (Begleitung erforderlich) und einem GdB von wenigstens 70 allein für Funktionsstörungen an den unteren Gliedmaßen und gleichzeitig einem GdB von wenigstens 50 für Funktionsstörungen des Herzens oder der Atmungsorgane.
- Schwerbehinderte Menschen, die an Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa erkrankt sind, wenn hierfür ein GdB von wenigstens 60 vorliegt.
- Schwerbehinderte Menschen, bei denen ein doppeltes Stoma (künstlicher Darmausgang und künstliche Harnableitung) mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 70 und Auswirkungen auf die Gehfähigkeit vorhanden ist
Wichtig: Mit einen orangefarbenen Ausweis dürfen Sie trotzdem keine ausgeschilderten Behindertenparkplätze nutzen! Nur mit dem blauen EU-Parkausweis auf dem das Rollstuhlfahrer-Symbol abgebildet ist, können Berechtigte dort parken.
Echte Parkerleichterungen ohne spezielle Parkplätze
Der Inhaber eines blauen oder orangen Parkausweises erhält (beim blauen zusätzlich) erhebliche Parkerleichterungen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass
- in zumutbarer Entfernung
- keine andere Parkmöglichkeit besteht.
Die höchstzulässige Parkzeit beträgt grundsätzlich 24 Stunden, wenn nachfolgend nichts Anderes vorgeschrieben ist.
In Deutschland berechtigt der Parkausweis die Inhaberin oder den Inhaber des Parkausweises und den jeweils befördernden Fahrzeugführenden zusätzlich
- an Stellen, an denen das eingeschränkte Haltverbot bis zu drei Stunden zu parken,
- im Bereich eines Zonenhaltverbots in dem durch Zusatzzeichen das Parken zugelassen ist, die zugelassene Parkdauer zu überschreiten,
- an Stellen, die durch Zeichen „Parken“ „Parkraumbewirtschaftungszone“ oder „Parken auf Gehwegen“ gekennzeichnet sind und für die durch ein Zusatzzeichen eine Begrenzung der Parkzeit angeordnet ist, über die zugelassene Zeit hinaus zu parken,
- in Fußgängerzonen, in denen das Be- und Entladen für bestimmte Zeiten freigegeben ist, während der Ladezeit zu parken,
- an Parkuhren und bei Parkscheinautomaten zu parken, ohne Gebühr und zeitliche Begrenzung,
- auf Parkplätzen für Bewohner bis zu drei Stunden zu parken,
- in verkehrsberuhigten Bereichen außerhalb der gekennzeichneten Flächen zu parken, ohne den durchgehenden Verkehr zu behindern.
Tipp: Diese Parkerleichterungen dürfen nicht nur von den Berechtigten selbst genutzt werden. Sie gelten auch für Personen, die den Ausweisinhaber befördern, also auch für Fahrten mit oder zum Abholen der Menschen mit Behinderung.
Das bedeutet auch, dass bei beruflich bedingte Fahrten der schwerbehinderten Kolleginnen oder Kollegen ein eingesetzter Fahrer auch die Parkerleichterungen nutzen kann. Für reine Besorgungsfahrten durch Dritte gilt das aber nicht.
Wichtig: Sowohl der blaue EU-Parkausweis wie auch der orangefarbige Ausweis und ggf. die Parkscheibe müssen gut sichtbar im Fahrzeug ausliegen. Ansonsten droht Ihnen ein Verwarngeld wegen Falschparkens!
Tipp: Selbst, wenn der Ausweis sichtbar ausliegt: Diese Parkerleichterungen sind nicht allen Ordnungshütern bekannt. So passiert es schon einmal, dass trotzdem ein „Knöllchen“ hinter dem Scheibenwischer klemmt. Scheuen Sie sich dann nicht dagegen vorzugehen, denn die Ausnahmegenehmigung gibt Ihnen das Recht zu diesen Parkerleichterungen.
Sonderregelungen in bestimmten Bundesländern
Neben den Regelungen zu den beiden genannten Parkausweisen (blau und orange) haben einzelne Bundesländer, wie z.B. Bayern, Berlin, Brandenburg und Hessen, weitere individuelle Regelungen. Sie räumen damit weiteren bestimmten Personenkreisen Parkerleichterungen ein.
Tipp: Erfragen Sie bei Ihrer Straßenverkehrsbehörde vor Ort, ob es für Ihr Bundesland spezielle Park-Regelungen und Ausnahmegenehmigungen gibt, die nur dort gelten.
(Stand 5/2024)