Diskriminierung: Ihr Arbeitgeber darf keine Kündigung wegen einer Hörschwäche aussprechen
Laut einer veröffentlichten Statistik des Deutschen Schwerhörigenbunds e.V. sind mehr als 19% der Deutschen über 14 Jahre hörgeschädigt. Das entspricht 13,3 Millionen Menschen! Aber was, wenn einem hörgeschädigten Mitarbeiter in Ihrem Betrieb gekündigt wird, weil er kein Mindesthörvermögen aufweist? Da hat der Europäische Gerichtshof EuGH (15.7.2021, Az. C‑795/19) ein klares Zeichen gesetzt, das Sie als Schwerbehindertenvertretung kennen müssen.
Bei dem gefällten Urteil ging es um einen Strafvollzugsbeamten in Estland, der mehr als 15 Jahre im Gefängnis arbeitete. Nachdem eine Verordnung 2013 ein Mindesthörvermögen für Strafvollzugsbeamte festlegte, wurde dem Mitarbeiter gekündigt. Hauptsächlich ging es darum, dass die Mitarbeiter Alarme oder Funksprüche hören können.
Allerdings waren bei der Beurteilung der Erfüllung der Anforderung keine korrigierenden Hilfsmittel erlaubt. Daraufhin klagte der Mitarbeiter auf Entschädigung und die Feststellung der Rechtswidrigkeit.
Und tatsächlich: Das zweitinstanzliche Berufungsgericht stelle eine Rechtswidrigkeit fest und entschied auf eine Entschädigungszahlung an den Beamten. Außerdem entschied das Gericht ein gerichtliches Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit beim Staatsgerichtshof. Dieser befragte zu der Verordnung den EuGH.
Der EuGH stellte sich auf die Seite des Strafvollzugsbeamten. Denn die Verordnung stellt nach Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 (Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie) eine Ungleichbehandlung dar, die unmittelbar mit der Behinderung verbunden ist. Selbstverständlich ist gutes Hören im Strafvollzug wichtig. Allerdings wurde hier wohl mit zweierlei Maß gemessen. Denn die Verordnung ist nur dann geeignet, wenn es allen in jeder Weise gleich gemacht wird. Das war aber nicht der Fall.
Denn während der Beamte zu seiner Mindesthörschwelle beurteilt wurde, ohne die Möglichkeit der Verwendung einer Hörhilfe, darf bei der Beurteilung des Sehvermögens eine Sehhilfe wie Kontaktlinse oder Brille angewendet werden.
Aber: Ohne Sehhilfe kann die Tätigkeit ebenfalls beeinträchtigt sein und mögliche Gefährdungen hervorbringen, die sich auch beim Verlust einer Hörhilfe ergeben würden.
Achtung: Diskriminierung!
Das Urteil des EuGH macht klar, dass Benachteiligungen oder Diskriminierungen von Menschen mit Behinderung gang und gäbe sind. Und es verdeutlicht, wie wichtig eine Überwachung ist. Damit solche Benachteiligungen nicht schon bei der Bewerbung beginnen, gibt es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz AGG. Und hier dürfen Sie als Schwerbehindertenvertretung einsteigen. Denn: Sie sind bei der Umsetzung und Einhaltung des Gesetzes am Zug und haben Überwachungsrecht und eine gesetzliche Überwachungspflicht. Nutzen Sie diese Möglichkeiten.
Denn, laut § 7 Abs. 1 AGG und § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, ist eine Benachteiligung des Arbeitgebers Ihnen oder Ihren Kollegen gegenüber strikt verboten. Außerdem muss er nach AGG einer Benachteiligung von Mitarbeitern durch andere Kollegen oder externe Personen (Kunden etc.) entgegenwirken.
Haben Sie ein Auge auf Diskriminierung
Ihnen obliegt die Überwachung, ob Ihr Arbeitgeber alle gesetzlichen Regelungen einhält. Nehmen Sie Ihren Betriebsrat mit ins Boot, um weitere Maßnahmen zu besprechen. Auch, wenn sich nicht jeder Kollege über eine Diskriminierung Beschwerden wird: Sobald Sie so etwas im Ansatz mitbekommen, sollten Sie Ihren Arbeitgeber um Stellungnahme bitten und die Missstände aus dem Weg räumen.
Fazit
Ein solches Urteil hat immer Aktualität. Denken Sie also bei einer Kündigung wegen Schwerhörigkeit und Ihrer Anhörung unbedingt an dieses Urteil und weisen Sie gegebenenfalls darauf hin.
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